Interview mit PD Dr. med. Katja Hatz – Studien der Vista Klinik

«Unsere Studien beginnen dort, wo es für den Patienten greifbar wird»

Forschung nah am Patienten – das ist das Motto der Forschungsabteilung der Vista Klinik. Was das genau bedeutet und worin sich eine Privatklinik hier von einer Universität unterscheidet, erklärt PD Dr. Katja Hatz im Gespräch.

Binocular und im Hintergrund digitale Diagramme

Sie leiten die Netzhautabteilung und die Forschungsabteilung der Vista Klinik. Was bedeutet klinische Forschung an der Vista?

PD Dr. Katja Hatz: Forschung an der Vista heisst, dass wir patientennahe Projekte selbst durchführen und damit schon vor der Zulassung von neuen Medikamenten im Netzhautbereich unseren Patienten diese im Rahmen einer Studienteilnahme anbieten können. So können wir sehr früh Erfahrungen mit neuen Medikamenten sammeln. Aber natürlich nicht in den ganz frühen Stadien, in denen sie vorher noch nicht am Menschen getestet wurde und das Sicherheitsprofil weitestgehend unklar ist. Diesen Teil überlassen wir darauf spezialisierten Instituten.

Wir steigen später ein. Uns geht es darum herauszufinden, wie stark die Wirksamkeit eines am Patienten vorgetesteten Medikamentes in verschiedenen Situationen ist und wie man das Medikament am besten einsetzt. Hierbei ist das Sicherheitsprofil weiterhin ein wichtiger Aspekt. Unsere Studien beginnen also erst an der Stelle, wo es für die Patienten wirklich greifbar wird.

Dr. med. Katja Hatz

PD Dr. med. Katja Hatz

Leitende Ärztin in der Vista Klinik
Leitung Medical Retina, Augenärztin und Fachärztin Ophthalmologie FMH, spez. Ophthalmochirurgie.
Curriculum Vitae

Wie gross ist die Forschungsabteilung?

PD Dr. Katja Hatz: Das kann man schwer sagen, da die meisten Studienmitarbeiter auch im klinischen Alltag eingebunden sind. Was den Vorteil bietet, dass in der Forschungsabteilung Leute tätig sind, die nicht nur Forschungspatienten, sondern auch klinische Patienten anschauen und damit den engen Draht zur Klinik haben. Es sind fast alle Berufsgruppen der Vista in die Forschungsprojekte eingebunden, da neben erfahrenen Netzhautspezialisten natürlich auch Optiker für studienspezifische Sehkraftmessungen, Photographen für die gesamte Bildgebung und Assistenzpersonal bei Behandlungen benötigt wird.
Ganz zentral ist aber die Studienkoordination, deren Leitung Susanne Müller innehat, da diese nicht nur für die gesamte Studienplanung, -genehmigung und – durchführung zuständig ist, sondern hier auch der Grossteil der Kommunikation mit Sponsoren, externen Stellen wie beispielsweise Laboren, Behörden wie Swissmedic und Ethikkommission und auch anderen beteiligten Zentren erfolgt. Sämtliches Personal wird regelmässig Trainings und Zertifizierungen unterzogen, was den Qualitätsstandard in der Studienabteilung auf höchsten Niveau hält und natürlich auch sekundär im klinischen Alltag genutzt wird. Nicht zuletzt wären noch unsere Masterstudenten und Doktoranden zu erwähnen, die bei uns die Möglichkeit erhalten, Arbeiten mit interessanten klinischen Fragestellungen nahe am Patienten anzufertigen.

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Es sind fast alle Berufsgruppen der Vista in die Forschungsprojekte eingebunden ...

Seit wann gibt es die Forschungsabteilung?

PD Dr. Katja Hatz: Eigentlich seitdem ich die nichtoperative Netzhautabteilung übernommen habe, also seit Februar 2009.

Welche Forschungsprojekte laufen aktuell?

PD Dr. Katja Hatz: Es laufen verschiedene Netzhautprojekte – hauseigene und Kooperationsprojekte. Ein Projekt, das schon relativ weit ist, ist eine grosse Zulassungsstudie der Firma Allergan. In dieser Studie haben wir sehr viele Patienten. Es geht um ein Medikament für die feuchte Altersabhängige Makuladegeneration (AMD). Erste Ergebnisse wird es Anfang nächsten Jahres geben. Für eine weitere Studie – auch im Bereich der feuchten AMD – die für die Firma Novartis gelaufen ist, werden im November Ergebnisse präsentiert. Die erste Presseresonanz dazu hat es schon gegeben und sie war sehr positiv. Dann lief bis jetzt noch eine Studie für das erste Medikament gegen die AMD. Hier ist es aber leider so, dass diese Studie den primären Endpunkt wohl nicht erreicht hat und das Medikament der Firma Roche somit nicht die erhoffte Wirkung bringt, wenngleich das Sicherheitsprofil sehr gut ist. Aber auch solche Sachen gibt es in der Forschung.

Männlicher junger Forscher schreibt auf ein Klemmbrett, junge weibliche Forscherin im Hintergrund arbeitet stehend am PC

Wie gross ist der Kampf um das Geld?

PD Dr. Katja Hatz: Der Kampf um das Geld ist immer gross. Gerade im Bereich der Forschung ist das so. Und in einem privaten Haus ist es natürlich auch etwas schwieriger, insofern, dass ich schon mehr Kostendeckung als staatlich gestützte Häuser nachweisen muss.

Bei den Zulassungsstudien, an denen wir beteiligt sind, werden wir entsprechend von den Firmen für die Forschung bezahlt. Für hauseigene Projekte müssen wir eigene Gelder einwerben. Und ohne die Unterstützung einer Universität ist es deutlich schwieriger, das ist ganz klar. Wenn man sich bei öffentlichen Institutionen oder Stiftungen bewirbt, dann hat man es schon schwerer, wenn man kein universitäres Label hat, sondern als Privatklinik antritt. Nichtsdestotrotz – auch da lassen wir uns nicht werfen und reichen immer wieder ein.

Mit der Industrie haben wir einige sehr gute Kooperationen. Das funktioniert gut. Aber es geht natürlich auch darum, sich nicht alle Forschung von der Industrie finanzieren zu lassen. Schliesslich will man ja doch unabhängig sein. Bei den Industrieprojekten ist es oft so, dass der Geldgeber zwar keinen Einfluss auf das Studiendesign oder auf die Auswertung hat, aber Einfluss darauf, für welche Projekte er überhaupt Geld ausgibt. Und es gibt natürlich auch Sachen, die man untersuchen möchte, für die man lieber einen öffentlichen Geldgeber hat.

Die Vista Klinik selbst beteiligt sich natürlich auch an den eigenen Projekten. Ein Teil wird also beantragt und der andere Teil läuft dann über das Haus und kann gegebenenfalls über «bezahlte Forschung» querfinanziert werden.

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Schliesslich will man ja doch unabhängig sein.

Noch einmal ganz konkret: Wo liegt der wesentliche Unterschied zwischen einer Privatklinik und einem Universitätsspital im Bereich Forschung?

PD Dr. Katja Hatz: Natürlich ist es in einer Privatklinik hinsichtlich der Gelder sicherlich etwas schwieriger und schwieriger ist natürlich auch, dass unser klinischer Alltag auch sehr viel enger getaktet ist als an der Universität und damit natürlich auch oft weniger Zeit bleibt. Und wenn weniger Zeit für die Forschung bleibt, dann muss man diesen Bereich irgendwie eingliedern. In einem privaten Haus wird ganz klar erwartet, dass man das sehr effizient gestaltet.

Das heisst vieles erledigen Sie dann auch in der Freizeit?

PD Dr. Katja Hatz: Definitiv. Aber das ist natürlich immer so. Auch die universitären Kollegen müssen verschiedene Sachen in ihrer Freizeit machen. Aber bei uns ist es sicher im Durchschnitt etwas mehr. Das braucht definitiv einiges an Engagement und es ist sicher teilweise auch nicht so einfach die jüngeren Leute zu motivieren. Im universitären Bereich ist es so, dass eine gewisse Forschungstätigkeit Pflicht ist, wenn man eine Oberarztstelle möchte. Alle wissen das und setzten das auch voraus. Aus diesem Grund dreht da auch keiner daran. Bei uns ist das nicht so. Das bedeutet, wir müssen die Leute dafür gewinnen und motivieren Dinge extra zu machen und das bei einem ohnehin straffen Programm. Aber das heisst nicht, dass man niemanden findet – das ist die gute Nachricht.

Forschung ist Ihnen ein wichtiges Anliegen. Wieso haben Sie sich für eine Privatklinik entschieden?

PD Dr. Katja Hatz: Klinik ist mir aber ein genauso wichtiges Anliegen. Ich habe eine Stelle gesucht, wo ich Forschung und Klinik ideal kombinieren kann. Klinische Forschung kann man nicht machen, wenn man nicht viel Klinik macht.

Man braucht einen gewissen Patientendurchlauf um Fragestellungen überhaupt zu erkennen – schliesslich möchte ich nicht an der Realität vorbei forschen. 

 

Und zudem braucht man auch Patienten für die klinische Forschung, und wenn man nicht genügend klinische Patienten hat, dann kann man auch keine Patienten für die Studien rekrutieren. Diese zwei Dinge sind eine wichtige Voraussetzung. Und es ist tatsächlich so, dass an universitären Häusern der Durchlauf nicht so hoch ist, so dass das dort schwieriger ist. Das ist bei uns oft einfacher.

Was würden Sie Nachwuchswissenschaftlern empfehlen? Eine universitäre Laufbahn oder eine Laufbahn an einer privaten Klinik?

PD Dr. Katja Hatz: Es kommt auf das Interessengebiet an und darauf, wo sich gerade eine Stelle ergibt, die das vereinbart was man machen möchte. Das kann manchmal ganz schnell gehen, wenn irgendwo Forschungsgelder gutgesprochen werden oder Personalwechsel mit Änderung des Forschungsprofils der Institution stattfinden. Meine Empfehlung ist: Offen sein für beides und auf keinen Fall zu früh festgefahren auf eine Option sein. Es gibt kein Schwarz-Weiss.

Sollte man beides Mal ausprobieren?

PD Dr. Katja Hatz: Das ist keine so einfache Frage, vor allem vom praktischen Aspekt her, denn es ist vor allem nach Abschluss der Assistenzzeit oftmals schwierig, wieder hin und her zu wechseln – auch wenn das heute sicher einfacher ist als früher. Früher konnte man, wenn man einmal im universitären Bereich war, nur schwierig etwas im privaten Bereich machen und noch weniger umgekehrt. Heutzutage sind die Wechsel einfacher und offener. Aber auch hier muss man schauen, wie es sich ergibt und persönlich abwägen, was im entsprechenden Moment und für die Zukunft sinnvoller ist. Und manchmal muss man vielleicht auch einfach etwas wagen …
Mittlerweile ist sehr schön, dass die Assistenten in der klinischen Ausbildung die Klinik grundsätzlich wechseln müssen. Das ist schon mal ein guter Ansatzpunkt und eine gute Gelegenheit, in der Assistenzarztzeit verschiedene Sachen zu erleben. Vor allem, wenn man noch nicht weiss, in welche Richtung man will, ist es hilfreich, Unterschiedliches zu sehen. Man ist noch sehr frei in dieser Zeit und es wird auch noch gerne gesehen, wenn man wechselt. Diese Chance kommt später kaum wieder.

Was würden Sie sagen? Ist es für einen Patienten besser, sich in einer Klinik behandeln zu lassen, die über eine Forschungsabteilung verfügt, oder spielt das für die Behandlung keine grosse Rolle?

PD Dr. Katja Hatz: Das kommt immer darauf an, wie die Behandlung umgesetzt wird, und um welche Fragestellung es sich handelt. Es gibt in der Schweiz im augenärztlichen Bereich in Einzel- wie auch grösseren Gruppenpraxen eine Grundversorgung auf sehr hohem Niveau. Dies deckt einen sehr grossen Teil der Erkrankungen ab und die forschungsnahen Kliniken versuchen dies auch mit regelmässigen Weiterbildungsveranstaltungen zu fördern.

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Für einen Patienten gilt: Es gibt immer verschiedene Wege ...

Natürlich sind wir etwas näher an Neuem dran und haben aufgrund des hohen Durchlaufes in unseren durch entsprechende Fachspezialisten geführten Spezialsprechstunden einen hohen Erfahrungsschatz, aber dies wird natürlich nicht für alle Fragestellungen benötigt.
Wir geniessen es sehr, dass wir beide Möglichkeiten haben und unseren Patienten frühzeitig auch andere Sachen anbieten können. Für einen Patienten gilt: Es gibt immer verschiedene Wege und so muss man schauen, was in der jeweiligen Situation das Beste ist. Für jemanden der beispielsweise einen langen Weg zu einem grösseren Zentrum hat und diesen aber nicht in den Abständen, die notwendig wären, bewältigen kann, für den macht es natürlich keinen Sinn. Dieser Patient ist dann vielleicht besser in der Nähe aufgehoben, wo er dann zwar nicht den Zugang zum absolut Neuesten hat, aber trotzdem eine solide gute Behandlung bekommt – aber die wenigstens regelmässig wahrnehmen kann. Da gibt es so viele Einflussfaktoren, die man immer mit dem Patienten anschauen muss, um dann eine gemeinsame Entscheidung mit ihm zu treffen.

Ist die Teilnahme an einer klinischen Studie ein Vorteil für einen Patienten und wenn ja, worin liegt dieser?

PD Dr. Katja Hatz: Ein Vorteil ist, dass der Patient sicher und schnell an neue Medikamente kommt und das, bevor sie offiziell zugelassen sind. Und dann ist natürlich die Betreuung und Untersuchung in der Studie immer sehr viel genauer als im klinischen Alltag. So genau wie in der klinischen Studie geht’s im Alltag gar nicht – das wäre für alle Patienten gar nicht durchführbar. Birgt aber natürlich den Aufwand, dass die Behandlungen in der Regel etwas häufiger sind und manchmal auch etwas länger dauern.

Wenn also jemand sagt, er möchte die Zeit aufwenden und geniesst es, absolut “behütet” betreut zu sein und auch eine ganz genaue Führung zu haben, dann ist die Teilnahme an einer Studie sicher das Richtige. Wenn aber jemand sagt, er ist auch gerne mal ein halbes Jahr im Ausland und unterbricht dann die Behandlung, dann ist er sicher nicht der geeignete Studienpatient. Natürlich müssen die Patienten nicht pausenlos zu uns kommen, aber eine gewisse Frequenz muss eingehalten werden.

Können Sie eine Faustregel benennen wieviel Zeit man einplanen muss?

PD Dr. Katja Hatz: Dass ist von Studie zu Studie unterschiedlich, auch von Sitzung zu Sitzung und kann von einer bis mehrere Stunden dauern. In den feuchten Makuladegenerationsstudien ist es im Prinzip so, dass die Patienten entweder monatlich oder sechswöchentlich – je nach dem in welchem Behandlungsmodus sie sind – zu uns kommen. Das unterscheidet sich nicht so sehr von der klinischen Realität, auch dort gibt es viele Patienten, die ebenso oft kommen. Aber die Untersuchungen sind etwas genauer. Es werden beispielsweise eine genauere Sehkraftmessung oder ein paar mehr Bilder gemacht. Und die Bilder werden nicht nur durch uns ausgewertet, sondern im Rahmen der Studie zweitbewertet durch Spezialisten in einem sogenannten Reading Center.

Wie kann man an einer Studie teilnehmen?

PD Dr. Katja Hatz: Wir betreiben eine grosse klinische Netzhautabteilung, und wenn wir für eine Studie rekrutieren, dann bieten wir die Teilnahme allen Patienten – die formal geeignet wären – an. Es macht keinen Sinn, Patienten etwas zu versprechen oder bei ihnen Hoffnungen auf ein neues Medikament zu wecken, bevor wir sicher wissen, dass sie die Kriterien erfüllen.
Wenn der Patient teilnehmen möchte, dann muss er sein Einverständnis geben. Wir führen in unseren Studien keine Untersuchungen durch, bevor ein Einverständnis vorliegt. Und wenn ein Patient sagt, dass ihm das alles zu viel ist, dann geht er in den klinischen Ablauf und bekommt die normale klinische Behandlung ohne irgendwelche Nachteile.

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Weitere Informationen

zur Forschungsabteilung und alle Kontaktdaten finden Sie auf den Internetseiten der Vista. 

Kann man sich auch direkt auf die Teilnahme an einer Studie bei Ihnen bewerben?

PD Dr. Katja Hatz: Wir schreiben in der Regel nicht direkt aus, informieren aber unsere Zuweiser – also unsere niedergelassenen Kollegen, sodass sie uns ihre Patienten empfehlen können. Natürlich sehen wir auch viele Patienten für Zweitmeinungen, die sich selbst angemeldet haben. Mit diesen Patienten wird selbstverständlich das gesamte Spektrum zur Verfügung stehender Behandlungen, auch inklusive möglicher Studienteilnahmen, besprochen.

Ein Blick in die Zukunft: Was wird im Bereich Netzhautforschung in den nächsten 50 Jahren passieren?

PD Dr. Katja Hatz: Was genau passieren wird, lässt sich natürlich nicht seriös vorhersagen. In der näheren Zukunft ist der Fokus auf längeren Wirkdauern bei Erkrankungen, für die es bereits Behandlungen gibt, und natürlich der Entwicklung erster Therapien im Bereich der trockenen AMD und der degenerativen Netzhauterkrankungen, wie beispielsweise Retinopathia pigmentosa und Morbus Stargardt. Und unbedingt wünschen würde ich mir eine noch bessere Verknüpfung zwischen Klinik und Forschung und viele junge und motivierte Mitstreiter.

Claudia Wasmer

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